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Die Deutsche Bank spielt mal wieder Industrie-Monopoly. Nach dem Flick-Verkauf und dem Fusionsfall Daimler-Benz/AEG steht sie jetzt Pate bei einem neuen Riesen-Deal.
Das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE), Deutschlands größter Stromkonzern, will die zum Verkauf stehende Deutsche Texaco, eine der größten Ölgesellschaften in der Bundesrepublik, übernehmen. Und als Vermittler bei dem Geschäft waren Alfred Herrhausen und Friedrich Wilhelm Christians, die beiden Vorstandssprecher der Deutschen Bank, bestens geeignet. Herrhausen leitet den Aufsichtsrat der Hamburger Ölgesellschaft, Christians ist Chefkontrolleur beim Essener Stromlieferanten.
Damit dürfte das monatelange Rätselraten um die Zukunft der Deutschen Texaco ein überraschendes Ende finden. Als Interessenten für die deutsche Tochter der amerikanischen Texaco wurden vor allem Ausländer, etwa Kuweitis, Venezolaner und Libyer, der US-Konzern Mobil und die in London residierenden ägyptischen Brüder Al-Fayed genannt.
Aber auch deutsche Firmen, vor allem der Veba-Konzern und die BASF-Tochter Wintershall, galten als potentielle Aufkäufer. Schließlich hieß es sogar, die Deutsche Bank wolle die Ölgesellschaft übernehmen, um die Aktien dann breit zu streuen.
Der Milliarden-Handel zwischen RWE und Texaco könnte beiden Unternehmen aus Notlagen helfen. Der amerikanische Ölmulti Texaco ist zum Verkauf profitabler Teile seines Firmen-Imperiums gezwungen, weil ihm durch einen absurd erscheinenden Rechtsstreit mehrere Milliarden Dollar verlorengingen.
Die vergleichsweise kleine texanische Gesellschaft Pennzoil hatte Texaco auf Schadenersatz von über zehn Milliarden Dollar verklagt. Angeblich hatten die Texaco-Manager eine bereits fest vereinbarte Fusion von Pennzoil mit der kalifornischen Getty Oil durch illegale Machenschaften hintertrieben.
Zur Überraschung der gesamten Branche erhielt Pennzoil in den ersten gerichtlichen Instanzen tatsächlich einen Schadenersatz von über zehn Milliarden Dollar zugesprochen. Um das eigene Unternehmen vor der Pleite zu retten, schlossen die Texaco-Manager einen Vergleich, der Pennzoil drei Milliarden Dollar einbrachte.
Die Übernahme der Hamburger Texaco könnte auch dem RWE aus einer Klemme helfen. Der Konzern hat viel Ärger mit seiner seit Jahren siechen Mineralölsparte.
Dieser Bereich ist in der Union Kraftstoff (UK) gebündelt, die wiederum der RWE-Tochter Rheinbraun angegliedert ist. Die UK betreibt in Wesseling bei Köln eine Raffinerie und verkauft ihr Benzin an 217 Tankstellen. Das Unternehmen ist seit vielen Jahren ein Experimentierfeld für meist mißglückte technische und unternehmerische Abenteuer.
Auf dem Höhepunkt der Ölkrise Ende der siebziger Jahre versuchte sich die RWE-Enkelin wie viele andere Unternehmen auf dem Feld der Kohleverarbeitung. Zur Zeit haben die UK-Tüftler ein neues Probierfeld entdeckt: die Verarbeitung von Plastikmüll zu Öl.
Während solche Rand-Aktivitäten dem Unternehmen irgendwann Gewinn einfahren können, trug das herkömmliche Raffinerie- und Vertriebsgeschäft in den vergangenen Jahren nur hohe Verluste ein.
Trotz sonst demonstrierter Experimentierfreudigkeit hatten es die UK-Manager nämlich versäumt, ihre Raffinerie rechtzeitig zu modernisieren. Auch leisteten sie sich im Tankstellen-Geschäft an Rhein und Ruhr teure Benzinpreis-Schlachten mit starken Konkurrenten.
Viel Geld verschlang zudem die 18prozentige Beteiligung an der Ölversorgungsgesellschaft Deminex, die über eigene Zugänge zu Ölquellen in der Nordsee, in Syrien, Ägypten und Indonesien verfügt. Für die kostspielige Ölsuche in aller Welt verlangte die Deminex ständig neue Geldspritzen von ihren Eignern.
Das alles führte dazu, daß die UK ständig von ihren Eigentümern gestützt werden mußte. Insgesamt rund 1,5 Milliarden Mark mußten seit Ende der siebziger Jahre in das Unternehmen gesteckt werden, damit es überleben konnte.
Das RWE-Management konnte es sich leisten, die schwächliche Öltochter über Jahre hinweg durchzuschleppen, denn Geld hat das Essener Energie-Imperium in Fülle. Der Moloch RWE, der über eines der größten Gebietsmonopole der westlichen Welt verfügt, ist am Strom schwerreich geworden.
Das Millionen-Heer privater Stromkunden und die Großabnehmer aus der Industrie sind einem staatlich nur unzulänglich kontrollierten Preisdiktat ausgesetzt. Über den Strompreis ließen sich sogar die Kosten für den Bau überflüssiger Kernkraftwerke abwälzen.
Das RWE, das zu 31 Prozent im Besitz von Kommunen, Gemeindeverbänden und Ländern ist - die übrigen Anteile sind in Streubesitz -, erzielt mit 70 000 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 28 Milliarden Mark. Über 1000 Firmen zählen zum RWE-Reich (siehe Graphik). Manche Tochtergesellschaften sind ein Industrie-Imperium für sich. Die Rheinbraun beispielsweise, die westlich von Köln den größten Braunkohle-Tagebau der Welt betreibt, gebietet über eine Gruppe von rund 140 eigenen Firmen und Beteiligungen, darunter auch die UK in Wesseling.
Seit dem Atommüll-Skandal um die Hanauer Brennelemente-Firma Nukem, an der das RWE eine stattliche Beteiligung hält, ist der RWE-Vorstand allerdings schwer unter Druck geraten. Die Kritik am bisherigen Atomstrom-Kurs der Essener hat dadurch gewaltig zugenommen.
Durch den forcierten Bau von Atommeilern verfügt die Strombranche nun über riesige Überkapazitäten. Das RWE muß sich daher nach anderen Expansionsmöglichkeiten umschauen.
Den RWE-Aktionären käme der Texaco-Deal gelegen. Er wäre ein Beleg dafür, daß der Stromkonzern mit seiner Neuorientierung in weniger umstrittene Bereiche als den Nuklear-Sektor Ernst macht.
Auch dürfte Energie-Politikern in Bonn und Düsseldorf gefallen, daß mit einem RWE-Einstieg bei der Texaco deutsche Ölinteressen gestärkt werden. Die Energie-Strategen in den Regierungen waren noch nie darüber glücklich, daß sich neben der Veba Oel gleich fünf Auslandskonzerne - Esso, Shell, BP, Texaco und Mobil - an der Spitze der bundesdeutschen Mineralölindustrie befinden.
Vor über 20 Jahren hatte es daher heftigen Widerstand der Bundesregierung gegen den Einstieg der US-Firma Texaco in den deutschen Markt gegeben. Ausgerechnet den Marktwirtschaftlern unter Kanzler Ludwig Erhard hatte es nicht ins nationale Konzept gepaßt, daß der Ölmulti aus den USA 1966 die Deutsche Erdöl-AG (DEA) übernehmen wollte. Erst als der damalige DEA-Aufsichtsratsvorsitzende, der
Deutsche-Bank-Manager Franz Heinrich Ulrich, klarstellte, daß Bonn den 70 000 DEA-Aktionären nicht »die freie Wahl der Vermögensanlage beschränken« dürfe, war der Weg für Texaco frei.
Mit der Übernahme der Deutschen Texaco wird RWE eine Ölraffinerie in Heide und eine auf die Herstellung von Schmieröl spezialisierte Raffinerie im Hamburger Hafen erhalten. Außerdem erwirbt RWE den Texaco-Anteil von 42 Prozent an einer Raffinerie in Karlsruhe (weitere Anteilseigner: Veba, eine venezolanische Staatsgesellschaft und Conoco).
Von den rund 1900 Tankstellen, die als Texaco-Stationen firmieren, wechseln allerdings längst nicht alle den Eigentümer. Einige hundert gehören Mittelständlern, die es bislang vorzogen, nicht als »Freie« aufzutreten, sondern ihr Benzin unter der Texaco-Marke zu verkaufen.
Der Texaco-Anteil am deutschen Tankstellen-Geschäft beträgt etwa acht Prozent. Nur Benzinbranchenführer Aral hat mit knapp 3200 Stationen ein größeres Tankstellen-Netz.
Im Raffinerie- und Vertriebsgeschäft fährt die Texaco wie fast alle Wettbewerber auf dem deutschen Markt Verluste ein. Nur durch Gewinne im Förder- und Chemie-Bereich konnte das Hamburger Unternehmen 1987 noch ein positives Gesamtergebnis erzielen.
Profitabel ist vor allem der Petrochemie-Bereich der Texaco. Und hier gilt insbesondere die Tochtergesellschaft Condea Chemie in Brunsbüttel als Unternehmens-Perle. Allerdings ist die
Stellung der Texaco in der gewinnbringenden Petrochemie längst nicht so stark wie etwa die der Shell oder Esso. Und auch bei der Förderung von Öl und Gas ist die Position von Esso, Shell und Mobil weit besser als die von Texaco.
Diese Unternehmen fördern vorwiegend Erdgas, das trotz gesunkener Energie-Preise noch gutes Geld einbringt. Die Texaco holt vor allem Erdöl (rund 16 Prozent der Inlandsförderung) aus deutschem Boden. Damit ist in der Bundesrepublik gegenwärtig kaum noch etwas zu verdienen.
Gemeinsam mit der BASF-Tochter Wintershall beutet Texaco das derzeit einzige voll erschlossene deutsche Ölfeld aus, das unter dem Meeresboden liegt - das Feld Schwedeneck in der Ostsee. Im Wattenmeer vor Dithmarschen hat die Firma vor ein paar Jahren eine der größten deutschen Ölquellen, das Feld Mittelplate, entdeckt. Nach einem Fördertest soll der Schatz zusammen mit Partner Wintershall gehoben werden.
Dem RWE, das wie kaum ein anderer Konzern im Fadenkreuz der Kritik von Politikern, Atomkraftgegnern und Umweltschützern steht, droht dann neues Ungemach. In letzter Zeit riefen Umweltschützer immer wieder zum Boykott von Texaco-Tankstellen auf. Durch das RWE, für viele Öko-Freunde ein Reizname, könnte der Widerstand am Wattenmeer noch stärker werden.
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ENERGIE-RIESE RWE RHEINISCH-WESTFÄLISCHES ELEKTRIZITÄTSWERK AG, Essen; Eigenkapital: 5,73 Milliarden Mark Das RWE ist an rund 130 Unternehmen beteiligt; die 15 größten (nach der Höhe des Eigenkapitals): 16% Centrale Nucleaire Europeenne a Neutrons Rapides SA, Paris/Frankreich; Kapital: 1,80 Milliarden Mark 100% Rheinische Braunkohlenwerke AG, Köln; Kapital: 929 Millionen Mark 30% Energie-Verwaltungs-GmbH, Düsseldorf; Kapital: 531 Millionen Mark 27% Pfalzwerke AG, Ludwigshafen; Kapital: 261 Millionen Mark 69% Schnell-Brüter-Kernkraftwerksgesellschaft mbH, Essen; Kapital: 220 Millionen Mark 39% Hochtief AG, Essen; Kapital: 1,37 Milliarden Mark 100% Union Rheinische Braunkohlen Kraftstoff AG, Wesseling; Kapital: 599 Millionen Mark 30% Societe Luxembourgeoise de Centrales Nucleaires SA, Luxemburg; Kapital: 481 Millionen Mark 75% Lech-Elektrizitätswerke AG, Augsburg; Kapital: 261 Millionen Mark 64% Lahmeyer Aktiengesellschaft für Energiewirtschaft, Frankfurt; Kapital: 211 Millionen Mark 52% Heidelberger Druckmaschinen AG, Heidelberg; Kapital: 975 Millionen Mark 24% Conrhein Coal Company, Pittsburgh/USA; Kapital: 576 Millionen Mark 20% Stadtwerke Düsseldorf AG, Düsseldorf; Kapital: 446 Millionen Mark 19% Deminex-Deutsche Erdölversorgungsgesellschaft mbH, Essen; Kapital: 246 Millionen Mark 41% Vereinigte Saar-Elektrizitäts-AG, Saarbrücken; Kapital: 202 Millionen Mark
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