Final Fantasy X/X-2 HD: Im Test (2024)

Habt ihr bereits alle Kostüme in Lightning Returns: Final Fantasy XIII gesammelt und das Spiel ganz adrett beendet? Oder gehört ihr zu der Fraktion, die Lightnings letztes Abenteuer komplett ignoriert hat, weil euch schon die Vorgänger enttäuscht haben? Kein Problem - für beide Fälle gibt es jetzt Abhilfe.

Nach einigem Warten, Verschieben und noch mehr Warten ist Final Fantasy X/X-2 HD Remaster doch noch erschienen. Final Fantasy X ist sicherlich eine der herausragenden RPG-Perlen der vorletzten Konsolengeneration und das - in meinen Augen - letzte "richtige" Final Fantasy. Zwölf Jahre später bekommen PS3-und Vita-Besitzerdie HD-Neuauflage, die nicht nur den direkten Nachfolger Final Fantasy X-2 (der Vita-Version liegt ein Downloadcode bei) beinhaltet, sondern noch weitere interessante Boni.

Finale Faszination

Tidus, Jungspund und Star-Blitzballspieler der Zanarkand Abes ist auf dem Weg zu einem Blitzball-Match. Während des Matchs erscheint ein mächtiges Wesen, genannt Sin, und zerstört willkürlich die gesamte Stadt. Auf mysteriöse Weise scheint Tidus 1.000 Jahre in die Zukunft gereist zu sein, denn jener Tag, aus dem er augenscheinlich entrissen wurde, ist seinen neuen Bekanntschaften nur aus Geschichtsbüchern bekannt. Sin ist hier jedoch allen ein Begriff: Yuna, ein auserwähltes Medium, muss eine Pilgerreise antreten, um durch spezielle Beschwörungen genug Macht zu erlangen, um Sin zu vernichten. Mit der Hoffnung mehr über sein Schicksal zu erfahren, schließt sich Tidus dieser Reise an.

Was hier nur grob angerissen wurde, entwickelt sich zu einer Geschichte epochalen Ausmaßes mit einer derartig atmosphärischen und emotionalen Dichte, wie man es nur selten zu sehen bekommt. Neben der Erzählstruktur sind insbesondere Charakterzeichnung und -entwicklung glaubhaft und authentisch rübergebracht, sodass Final Fantasy X erzählerisch eine absolut runde Sache ist. Wenn man pedantisch sein will, kann man allenfalls das typische Final Fantasy-Problem anprangern: Man wird teilweise derart mit Informationen überschüttet, dass es schwer fällt zu folgen. Ich muss selbst gestehen, dass die Geschichte für mich noch nicht hundertprozentig aufgeklärt ist.

ATB, CTB, ACB???

Das spielerische Herzstück eines jeden Rollenspiels ist das Kampfsystem. Die Final Fantasy-Teile auf der PlayStation One hatten das sogenannte Active Time Battle (ATB)-System. Hier hat jeder Charakter eine Zeitleiste, die, wenn sie vollständig gefüllt war, eine Aktion erlaubt. Mir persönlich gefällt dieses System nicht, da es den Kämpfen lediglich die Dynamik raubt. In Final Fantasy X entscheid man sich für ein Conditional Turn-Based Battle (CTB)-System. Hier hat man statt einer Zeitleiste eine Aktionsleiste, die Übersicht darüber bietet, wann welcher Kampfteilnehmer dran ist.

Das macht das Kämpfen nicht nur dynamischer und schneller, sondern sorgt auch für strategische Tiefe. Denn es gibt einem die Möglichkeit, besser einschätzen zu können, ob man zum Beispiel bis zum nächsten eigenen Zug mit seinen Lebenspunkten auskommt oder ob es ratsamer wäre, ein Item einzusetzen. Darüber hinaus kann man durch bestimmte Aktionen direkten Einfluss auf die Aktions-Reihenfolge ausüben und sich dadurch einen Vorteil verschaffen. Zu erwähnen sei noch, dass die eigene Party während eines Kampfs willkürlich ausgetauscht werden darf, was gut ist, denn jeder Charakter verfügt über individuelle Fähigkeiten, die man so je nach Kampfsituation bestmöglich zusammenstellen kann.

Leveln, wie man will

Was Final Fantasy X so einzigartig macht, ist das, was nach dem Kampf kommt: die Charakterentwicklung. Anders als in anderen Genre-Vertretern sammelt man nicht nur Erfahrungspunkte und hofft, das nächste Level erreicht zu haben. Nein, hier erfolgt die Charakterentwicklung individuell und nach den Vorstellungen des Spielers. Hierfür verantwortlich ist das sogenannte Sphärobrett. Wie der Name schon andeutet, kann man es sich als riesengroßes Brettspiel vorstellen.

Durch im Kampf gesammelte AP-Punkte (und erreichten Sphärolevel) kann man sich auf dem Sphärobrett in die verschiedenen Richtungen bewegen. Auf erreichten Feldern können dann Sphäroiden aktiviert werden, die entweder für Attributszuwachs oder neue Fähigkeiten sorgen. Anders als in Final Fantasy XIII, wo es eine Light-Version des Sphärobretts gab, kann man sich hier wirklich vollkommen frei entfalten. Wer es wünscht, kann zu Spielbeginn sogar eine Profivariante einstellen; hier starten die Charaktere nicht vom für sie optimalsten Feld, sondern von der Mitte des Sphärobretts.

Lohnt sich HD, oder nicht?

Es gäbe noch viel zu berichten, aber die entscheidende Frage bleibt: Lohnt sich die HD-Umsetzung? Ja, sie lohnt sich - definitiv! Als ich die ersten HD-Bilder gesehen habe, dachte ich: "Na ja, so viel besser schaut das doch nicht aus!" Wirklich interessant, wie nostalgische Erinnerungen einem die Wahrnehmung verdrehen. Im Vergleich zum PS2-Original ist der Unterschied enorm. Das Bild ist gestochen scharf und im 16:9-Format aufbereitet. Die Charaktermodelle wurden zum Teil überarbeitet, und die Hintergründe machen mit neuen Details ebenfalls ordentlich was her.

In einigen Situationen wirkt es jedoch so, als hätten die Charaktere eine ordentliche Botox-Spritze abbekommen, denn wo die Mimik im PS2-Original noch lebhaft wirkt, erhält man in der HD-Version nur einen starren Blick. Auffällig ist auch, dass die Nebencharaktere wohl nicht die gleiche Behandlung genießen durften, denn im direkten Vergleich zu Tidus sehen diese doch erheblich schlechter aus.Den Ohren sollte ebenfalls etwas auffallen: Der Soundtrack wurde neu eingespielt. Dieser dürfte so auch die verwöhntesten Lauscher beeindrucken.

Was unangetastet blieb, ist die Lokalisierung. Was schade ist, denn die Qualität der Untertitel ist stellenweise nicht nur unterirdisch, sondern passt auch nicht zum Inhalt der englischen Synchronisation. Es ist wirklich verwirrend, wenn man das eine hört und das andere liest - da nimmt man sogar in Betracht, auf die vorhandene japanische Synchronisation umzustellen. Apropos Synchronisation: Diese wurde nicht bearbeitet, was nicht schlimm ist, denn die Qualität ist annehmbar. Was aber stört, ist, wie asynchron das Ganze wirkt.

Des Nachfolgers Nachfolger

Gut - jetzt haben wir uns zur Genüge über Final Fantasy X ausgelassen, aber da war doch noch etwas? Final Fantasy X-2! Beeindruckend ist die Tatsache, dass es der erste direkte Nachfolger eines Final Fantasy-Teils war. Und obwohl es der Nachfolger ist, haben beide Spiele wenig gemein.Die Handlung setzt zwei Jahre nach den Geschehnissen des ersten Teils ein: Sin ist besiegt und Tidus verschwunden. Als Rikku Yuna einen Sphäroiden mit einer Botschaft zeigt, will sie darin Tidus erkannt haben. Schnell fasst sie den Entschluss, auf eine erneute Reise zu gehen, um weitere Sphäroiden ausfindig zu machen, um so möglicherweise Tidus wiederzufinden.

Man merkt schon im Intro, in welche Richtung das Spiel gehen möchte. Yuna ist plötzlich eine flippige Braut, die mit Rikku und Paine eher das Trio einer japanischen Popband bildet - Fremdschäm-Momente inklusive.Das Spiel schüttelt komplett die Ernsthaftigkeit des Vorgängers ab und damit auch geschichtliche und emotionale Relevanz.

Final Fantasy X-2 baut zudem auf ein Missionssystem - heißt: Mission annehmen, Mission abschließen, nächste Mission. Allein deswegen kann sich keine ordentliche Geschichte entwickeln, die im Übrigen relativ schnell abgeschlossen ist. Will man jedoch die 100 Prozent erreichen, um das perfekte Ende zu sehen, muss man einiges an Spielzeit mehr investieren. Durch seine spielerischen Innovationen kann Final Fantasy X-2 durchaus Spaß machen, aber gemessen an den Erwartungen, der schwachen Story und den austauschbaren Charakteren ist es für mich eher eine Enttäuschung.

Yuna Returns

Lightnings letztes Abenteuer bleibt in diesem Beitrag wohl omnipräsent. Wer Spaß an der Kostümvielfalt des Spiels hatte, kann mit Final Fantasy X-2 direkt weitermachen. Denn Kernelement des Kampfsystems - diesmal wieder ATB - sind die jederzeit individuell auswechselbaren Kostüme, die nicht nur Fähigkeiten bestimmen, sondern auch entscheidenden Einfluss auf die Statuswerte der Gruppe nehmen.

Zum Spielbeginn bekommt ihr eine Palette aus vier Kostümen. Weitere schalten sich im Spielverlauf entweder automatisch frei oder müssen durch optionale Aufgaben erspielt werden. Kostümieren ist zwar nicht ganz mein Ding, aber die Kämpfe machen hier wirklich eine Menge Spaß!

Was gibt es sonst noch?

Was ich zur HD-Umsetzung von Final Fantasy X geschrieben habe, kann auch (fast) komplett für Final Fantasy X-2 übernommen werden. Das Spiel sah zu seiner Zeit schon etwas besser aus als der Vorgänger und tut es auch in der HD-Auflage. Worauf hier jedoch verzichtet wurde, ist ein neueingespielter Soundtrack.Abseits der beiden Spiele enthält das HD-Remaster noch das kleine Filmchen Final Fantasy X Eternal Calm, das bis dato nur in Japan erschien. Wie erwähnt ist das eine selbstablaufende Sequenz in Spielgrafik, die den Übergang von Final Fantasy X zu Final Fantasy X-2 darstellen soll.

Leider bekommt man keine wirklich interessanten Informationen serviert, sondern lediglich das, was man in Final Fantasy X-2 auch so schon erfährt. Weiterhin befindet sich auf dem HD-Remaster noch Final Fantasy X-2 Last Mission (zuvor Japan-exklusiv), das ebenfalls einen Blick wert ist. Ziel ist es, sich durch einen riesigen Turm zu kämpfen. Wo man aber definitiv reinschauen sollte, sind die Credits: Hier gibt es nicht nur eine Fülle von unbekannten japanischen Namen, sondern auch eine kleine, vertonte Geschichte, die die Geschehnisse nach Final Fantasy X-2 erzählt.

Fazit

Die eingangs gestellte Frage, ob Final Fantasy X ein zeitloser Klassiker sei, kann ruhig rhetorisch betrachtet werden. Es ist zeitlos! Das RPG-Genre altert besser als so manch anderes Genre, denn es lebt von der Geschichte und ihrer Erzählung. Eine gute Geschichte ist nun einmal auch nach zwölf Jahren eine gute Geschichte und wird es auch in den nächsten zwölf Jahren bleiben. Mit der gelungenen HD-Umsetzung und dem neuen Bonusmaterial bekommt man unterm Strich ein grandioses Spiel und ein durchschnittliches Spiel, das im Komplettpaket nur zu empfehlen ist. Wer schon das PS2-Original gespielt hat, darf gern noch einmal spielen, und wer es noch gar nicht kennt, sollte es unbedingt kennenlernen!